Passend zu der These des letzten Vortrags, Heimat wäre maßgeblich von Prägung bestimmt, war Rüstü Aslandur, Vorsitzender des deutschsprachigen Muslimkreises Karlsruhe, zusammen mit seiner Kollegin Nari eingeladen. Diese kulturell und sprachlich andere Prägung sollte eine neue Perspektive auf den Begriff Heimat ermöglichen. Eine weitere Annäherung und Eingrenzung wurde durch die persönliche Geschichte und Weltanschauung der Gäste möglich. Erfolgt durch familiäre Wurzeln, die teilweise in anderen Nationen liegen und einen nationenübergreifenden Glauben ein Verständnis von “Heimat zwischen den Nationen”?
Die familiären Wurzeln des Referenten liegen in der Türkei, die der Referentin mütterlicherseits in Deutschland, väterlicherseites in Afghanistan. Eine Konstante für beide jedoch liegt im Aufwachsen und Leben in Karlsruhe, außerdem sind beide praktizierende Muslime. Deshalb kann als bestimmendes Moment der Prägung das persönliche Umfeld erkannt werden. Die einzelnen Menschen prägen jeweils mit ihren Erfahrungen aus der Herkunft und mit ihren Weltbildern. Entsprechend ist die Nation in diesem Fall fast antithetisch zur Heimat, denn die jeweils prägenden Menschen hatten vieles gemeinsam nur nicht eine einzige Nation. Der deutschen Nation fühlen sie sich darüber hinaus jedoch durch die Freiheit der Religionsausübung eng verbunden.
Die muslimische Religion selbst verwirft den Ortsbezug eines Heimatgefühls. Gemeinschaft fand schon Mohamed nicht in Mekka, sondern bei Fremden in Medina. Ein Focus auf den Glauben und damit verbunden der Glauben an ein Jehenseits lässt Stammesbezüge wie alles irdische vergänglich erscheinen. “Sei in dieser Welt wie ein Fremder” steht auch im Koran. Somit kann die Religion, wie auch der Ort an dem die Ausübung möglich ist, Heimat sein. Gewohnheiten, Bräuche, Lieder der Heimat der Eltern werden durch die hiesigen eingetauscht, nicht jedoch der Glaube. Als imperativ kann vormuliert werden: man soll Werte und Moral nicht vom Ort abhängig machen.
Eine Entwurzelung, die ein generelles Phänomen der industrialisierten Gesellschaft ist, verschärft sich durch eine internationale Abkunft. Viel losgelöster als sonst ist die Erfahrung von Ort, vielmehr ist sie von Personen und deren Weltbildern geprägt. Das bindende Element eines jehenseitsorientierten Glaubens, der sich zudem von dem des Ortes unterscheidet, ist zusätzlich heimatstiftend.