Ethik als Politik – ein Vortrag von Prof. Dr. Schütt

Da wir uns dieses Semester nicht nur mit Ethik, sondern sogar mit Staatstheorie beschäftigen war es passend auch einen Experten des Fachs zu gewinnen. Dank des persönlichen Engagements des Seniors und zweier Kontakte in der Fakultät konnten wir den Dekan Dr. Dr. Hans-Peter Schütt als Referenten gewinnen. Mit dem Titel „Ethik als Politik“ regte er zum Nachdenken an und machte uns gespannt auf das Thema.

Weniger überraschend für einen Philosophen war der Einstieg über eine Definition. Was eigentlich ist Ethik? Aus dem griechischen stammend kann man als direkte Übersetzung „den Charakter betreffend“ angeben. Aristoteles ist verantwortlich, dass „Persönlichkeit“ heute nach dem griechischen Wort für den Prägestempel, Charakter, benannt ist. In seinem Hauptwerk der praktischen Philosophie nämlich, der nikomachischen Ethik, unterscheidet er zwischen den Tugenden des Verstandes und des Charakters. Die ersteren meinen das Streben nach Weisheit, die letzteren beziehen sich auf die Tugenden der Mäßigung. Diese Tugenden, die den Charakter betreffen, verstehen Mäßigung als Balance zwischen den Extremen. Ethisches Handeln ist immer das Abwägen zwischen Übermäßigkeit und Mangel, zB. Mut statt Tollkühnheit oder Feigheit.

Und Aristoteles erläutert nicht bloß wie man ethisch leben kann, sondern auch wann man tun solle. Er stellt das Ziel jedes Menschen fest: das gute Leben, die Eudaimonia. Doch im Zusammenleben vieler Menschen kann das gute Leben nur gelingen, wenn es durch Tugenden und Pflichten geregelt wird. Ohne diese leben die Menschen nicht mit-, sondern gegeneinander. Nun aber stellt sich die Frage was überhaupt „gut“ ist. Zunächst einmal ist es ein Auswahloperator. In unserer Welt gibt es viel mehr Gegenstände, Zustände und Verhaltensweisen, als gewollt sind. Was gewollt ist wird mit dem Begriff „gut“ betitelt.

Doch die entscheidende Frage des Vortrages ist nicht was gut ist, sondern wer das festlegt. Die Antworten der Philosophen wären auf der einen Seite das Subjekt, ergo das was ich für gut befinde, ist auch gut. Auf der anderen wäre es die Absolutsetzung, ergo der Glaube das es ein objektives Gutes gibt, Moral faktisch existiert. Diese philosophische Sicht jedoch, so Schütt, habe jedoch keine so große Wirkung auf den Alltag wie tatsächliche Regeln und Normen im Zusammenleben. Jene werden durch die Politik festgelegt. Durch das Festlegen von positivem Gesetz und dem Fördern von Normen in der Gesellschaft ist Politik betreiben nichts anderes als die Beschäftigung mit der Ethik, so wie sie von Aristoteles definiert ist. Es gibt sogar eine wichtige Parallele, denn beide ändern sich nur durch den Gesinnungswandel im forum publicum. Erst wenn eine Mehrheit und insbesondere diejenigen, die einen Nachteil daraus tragen, sich fügen, beginnt Wandel.

Wie sehr der in der Geschichte immer mächtiger werdende Staat für das gute Leben gesorgt hat, zeigt eindrucksvoll unsere Sicherheit voreinander. In anarchistischen Gesellschaften, zB. den Jägern und Sammlern starben zwanzig Prozent aller Menschen durch Artgenossen und nur vierzig Prozent der Männer kam dazu sich fortzupflanzen. Diese Todesrate reduzierte sich bereits im Mittelalter auf zwei Prozent und liegt heute weit unter einem. Und die Ethik, wie auch die Politik, schreibt uns die Treue zu einer Frau vor. Alles hat seine Nachteile… 😉

Ethik als Politik – ein Vortrag von Prof. Dr. Schütt